Die sektorielle Beweidung, auch als Rotationsweide bekannt, ist eine gezielte Form des Weidemanagements, bei der große Weideflächen in kleinere Sektoren unterteilt werden. Die Tiere wechseln in bestimmten Zeitabständen zwischen diesen Bereichen, wodurch eine gleichmäßige Beweidung sichergestellt und die Regeneration der Vegetation ermöglicht wird (Guggenberger et al., 2014). In Österreich gewinnt diese Weideform zunehmend an Bedeutung, da sie nicht nur zur Vermeidung von Überweidung beiträgt, sondern auch entscheidende Vorteile für den Erhalt der Biodiversität, die Eindämmung der Verbuschung sowie die Arbeitsbelastung der Hirten bietet (Moser & Willems, 2025).
Unterschied zur Wanderschäferei
Ein wesentlicher Unterschied zur Wanderschäferei liegt in der Behirtungsform: Während bei der Wanderschäferei eine ständige Behirtung ohne feste Weidegrenzen erfolgt, wird die sektorielle Beweidung durch den Einsatz von elektrischen Zäunen organisiert. Dadurch wird die Kontrolle über die Beweidung verbessert, da die Tiere sich nur innerhalb eines abgegrenzten Sektors aufhalten und nicht großflächig verteilt sind.
Vorteile der sektorielle Beweidung gegenüber der Wanderschäferei:
• Teilbehirtung durch Zäune reduziert den täglichen Aufwand für Hirten.
• Herdenschutz wird verbessert, da Zäune den Schutz gegen Beutegreifer erhöhen und Herdenschutzhunde gezielter eingesetzt werden können.
• Planbare Weidenutzung reduziert Trittschäden und sorgt für eine gleichmäßige Nutzung der Vegetation.
• Geringere Mindestanzahl an Tieren: Während Wanderschäferei oft größere Herden erfordert, kann die sektorielle Beweidung bereits ab 100 Tieren erfolgreich durchgeführt werden (Zwischenbericht Herdenschutzprojekte, 2024).
Empfohlene Weidegrößen und Sektoren
• Gesamtfläche der Weide: Für eine effektive sektorielle Beweidung wird eine Fläche von ca. 50 ha empfohlen, um eine ausreichende Rotation und Regeneration der Vegetation zu gewährleisten (Zwischenbericht Herdenschutzprojekte, 2024).
• Größe der Sektoren: Die einzelnen Weidesektoren sollten zwischen 1 ha und 3 ha liegen. Diese Flächengröße sorgt für einen ausreichend hohen Beweidungsdruck, sodass unerwünschte Pflanzenarten zurückgedrängt werden und die gewünschte Vegetationsstruktur erhalten bleibt (Schrift692 HS in Steillagen, 2023).
Zielsetzung der Sektoriellen Beweidung
• Optimierung der Futteraufnahme: Durch die gezielte Einteilung in Sektoren kann die Fressrichtung der Herde gesteuert werden, um eine gleichmäßige Nutzung der Weidefläche zu gewährleisten. Dies verhindert selektives Weideverhalten, das dazu führen könnte, dass nur bestimmte Pflanzenarten übermäßig genutzt werden, während andere unberührt bleiben (Zwischenbericht Herdenschutzprojekte, 2024).
• Reduzierung von Krankheitsrisiken: Der regelmäßige Wechsel zwischen den Sektoren hilft, Weideparasiten zu minimieren, da Krankheitserreger in bereits genutzten Flächen keine langfristige Überlebenschance haben. Dies ist besonders relevant für Infektionen wie Lungenwürmer und Magen-Darm-Parasiten, die sich in feuchten, stark frequentierten Bereichen vermehren können (Schrift692 HS in Steillagen, 2023).
• Erhalt des Herdenzusammenhalts: Zu lange Perioden ohne kompakte Behirtung können zu einem Zerfall der Herde führen. In einigen Projekten wurde beobachtet, dass eine sektorale Behirtung nach zwei Wochen ohne Herdenschutzmaßnahmen zu einer zunehmenden Auflösung der Herdenstruktur führte, was wiederum den Arbeitsaufwand der Hirten erhöhte (Prozessbegleitung Spisser Schafberg, 2023).
Technische Umsetzung und Infrastruktur
• Elektrische Zäune: Mindestens 1,08 m hohe Netze sollten für den Schutz vor Beutegreifern genutzt werden. Diese verhindern nicht nur das Ausbrechen der Tiere, sondern bieten auch Schutz vor Raubtieren wie Wölfen (Prozessbegleitung Spisser Schafberg, 2023).
• Herdenschutzmaßnahmen: Der Einsatz von Herdenschutzhunden kann durch die begrenzten Sektoren gezielter erfolgen. Besonders bei Nachtpferchen sorgen elektrische Zäune in Kombination mit Herdenschutzhunden für einen effektiven Schutz vor Angriffen durch Beutegreifer (Zwischenbericht Herdenschutzprojekte, 2024).
Notwendigkeit eines Weideplans
Sektorielle Beweidung setzt einen detaillierten Weideplan voraus, um die Flächennutzung optimal zu gestalten. Ein effektiver Weideplan beinhaltet:
1. Sektoreneinteilung: Bestimmung der Weideflächen und Festlegung der Sektoren.
2. Rotationszeitraum: Dauer des Aufenthalts pro Sektor (abhängig von Futterverfügbarkeit und Tierzahl).
3. Ruhezeiten: Zeitliche Abfolge zur Regeneration der Weideflächen.
4. Futterkontrolle: Überwachung des Pflanzenwachstums und gegebenenfalls Anpassung der Rotation.
5. Herdenschutzstrategien: Integration von Zäunen, Nachtpferchen und Herdenschutzhunden je nach Standort und Beutegreiferpräsenz (Prozessbegleitung Spisser Schafberg, 2023).
Fazit
Die sektorielle Beweidung stellt eine nachhaltige Weidepraxis dar, die gezielt den Beweidungsdruck steuert, die Biodiversität fördert und gleichzeitig eine effiziente Flächennutzung ermöglicht. Neben der positiven Auswirkung auf die Vegetationsstruktur und die Gesundheit der Weidetiere reduziert sie langfristig die Arbeitsbelastung der Hirten und verbessert den Herdenschutz durch eine klar strukturierte Weideführung. Forschungsprojekte wie LIFEstockProtecttragen dazu bei, Landwirte bei der Implementierung dieser Methode zu unterstützen und innovative Lösungsansätze für eine zukunftsfähige Weidewirtschaft zu entwickeln.
Literaturverzeichnis
• Guggenberger, T., Ringdorfer, F., Blaschka, A., Huber, R., & Haslgrübler, P. (2014). Praxishandbuch zur Wiederbelebung von Almen mit Schafen. Lehr- und Forschungszentrum Raumberg-Gumpenstein.
• Moser, S., & Willems, H. (2025). Zwischenbericht 2024 zu den Herdenschutz-Projekten Spisser Schafberg-Alm, Lader Heuberg-Alm und Verwall-Alm, Tirol. Büro Alpe.
• NABU. (2021). Grünland stärken, Beweidung fördern – für Biodiversität und Klimaschutz.
• Naturschutzbund Österreich. (o.D.). Biodiversitätsprämie und gelenkte Beweidung für eine zukunftsfähige Almwirtschaft.
• Prozessbegleitung Spisser Schafberg. (2023). Herdenschutz-Projekt Spisser Schafberg-Alm 2023: Dokumentation der Bewirtschaftungsanpassung. Büro Alpe.
• Schrift692 HS in Steillagen. (2023). Beweidungskonzepte für steile Hanglagen: Empfehlungen zur nachhaltigen Nutzung.
• Zwischenbericht Herdenschutzprojekte. (2024). Erkenntnisse aus den laufenden Herdenschutzprojekten in Tirol.